#BauenmitLeidenschaft: „Wenn wir uns das erhalten, ist mir um die Zukunft nicht bange“ – Interview mit Dr.-Ing. Claus-Christian Ehrhardt und Karl-Henri Becker
Kurz nach den Feierlichkeiten zum 100-jährigen Firmenjubiläum der GROTH-GRUPPE treffen wir Karl-Henri Becker und Dr.-Ing. Claus-Christian Ehrhardt in der Unternehmenszentrale. Während der promovierte Bauingenieur Claus-Christian Ehrhardt (54) seit 15 Jahren als Geschäftsführer die Groth & Co. Bauunternehmung GmbH in Pinneberg leitet, ist Karl-Henri Becker (27) im dualen Studium der Immobilienwirtschaft an der International University (IU) in Hamburg und im eigenen Betrieb. Wie sein Bruder Fritz-Theo Becker (25) hält er schon seit 2016 Anteile an dem Familienunternehmen, das inzwischen Tochtergesellschaften in mehreren Bundesländern hat. Die beiden Brüder haben sich bekannt, die GROTH-GRUPPE als Familien-Holding weiterzuführen. Mit seinem Engagement als stellvertretender Vorsitzender des Bauindustrieverbandes Hamburg Schleswig-Holstein folgt Dr. Ehrhardt einer Unternehmenstradition: Schon der damalige Inhaber Karl Groth (1929 – 2002) war in Schleswig-Holstein als Vorsitzender im Bauindustrieverband Schleswig-Holstein sehr aktiv – und ist im Jahr 1994 für seine Arbeit vom damaligen Bundespräsidenten Herzog sogar mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden.
Was hat Sie beide bei Ihren Jubiläums-Feiern am meisten berührt oder auch überrascht?
Karl-Henri Becker: Was mich besonders berührt hat, war der durchweg gute Austausch mit allen und das gemeinsame Genießen der festlichen Atmosphäre auf dem wunderbar hergerichteten Betriebshof – das waren schon sehr schöne Momente, die mich sehr berührt und mir gut gefallen haben.
Dr.-Ing. Claus-Christian Ehrhardt: Es hat mich am ersten Tag gefreut, dass unsere Kooperationsfähigkeit mit Geschäftspartnern, Lieferanten und Nachunternehmern und nicht zuletzt unseren Kunden erlebbar war. Wir haben in den Gesichtern gesehen, dass die aufgebauten Verbindungen uns bei unseren komplexen Bauaufgaben noch weitertragen werden. Die zweite Säule war mit der gleichen Vision für die Zukunft das Fest mit unseren Mitarbeitern und deren Familien, dem wichtigsten Kapital unseres Unternehmens. Zu sehen, wie sich alle hier eingebracht haben – das war richtig schön. Es macht mich schon sehr zufrieden und auch glücklich – und wir merken den Erfolg auch daran, wie viele Leute sich im Nachgang jetzt noch mal melden.
Herr Becker, wie bereiten Sie sich darauf vor, künftig auch operativ und täglich für die GROTH-GRUPPE zu arbeiten?
Karl-Henri Becker: Die Vorbereitung ging schon vor vielen Jahren in der Familie los, auch wenn ich erst mal einen anderen beruflichen Weg eingeschlagen habe. Von Vorteil war natürlich, dass ich durch die Beteiligung am Unternehmen schon früh die handelnden Personen kennengelernt habe und diese mich. Mein Bruder und ich konnten so das Verständnis für das Geschäft weiterentwickeln, was die Basis für meine Entscheidungsfindung war, dass wir – mein Bruder und ich – irgendwann die Gruppe weiterführen wollen. Aktuell bereite ich mich neben meinem Studium noch im engeren Austausch mit meinem Vater, H.-Jochen Becker, Dr. Claus Ehrhardt und Thomas Möller und sowie unseren weiteren geschäftsführenden Gesellschaftern auf die künftige Aufgabe vor – außerdem habe ich begonnen, eine Veranstaltungsreihe vom Unternehmensverband Unterelbe-Westküste e.V. zu besuchen. Dort kommen Firmennachfolger und Jungunternehmer, also Menschen wie mein Bruder und ich, zusammen, die sich in der ähnlichen besonderen Situation wie wir befinden. Gerade wenn man den Austausch mit Gleichgesinnten hat, ist das schon viel wert.
Werden Sie dann nach dem Studium direkt ins Unternehmen einsteigen?
Karl-Henri Becker: Das ist noch offen. Ich bin ein Freund davon, erstmal das eine abzuschließen und dann etwas Neues zu beginnen. Mein Wunsch ist eigentlich, direkt mit einzusteigen, jedoch weiterhin mit der Übergangsregelung, die wir durch den Einsatz von Dr. Thomas Möller (Co-Geschäftsführer der Gruppe seit 2024) haben. Schon jetzt, wo ich hier drei Tage die Woche bin, gefällt es mir einfach sehr gut. Mein persönliches Gefühl ist, dass mein Platz hier ist und ich viel Freude daran habe. Wir Brüder stimmen uns eng ab, weil einer von uns auf jeden Fall schon langfristig in der Firma tätig sein sollte, um Abläufe und Personen gut kennenzulernen.
Welche Herausforderungen sehen Sie beide für die Baubranche?
Karl-Henri Becker: Ich bin der Meinung, dass immer gebaut werden wird und auch immer gebaut werden muss. Ansonsten hat jede Generation ihre Herausforderungen, die bewerkstelligt werden müssen. Man muss einfach die Sachen offen angehen und die bestmögliche Lösung finden. Gerade in dieser Zeit ist es ja äußerst spannend: Es gibt gewisse Vorgaben, die erfüllt werden müssen. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir schon seit vielen Jahren sehr innovativ arbeiten und uns auch immer mit IT, Technik und Digitalisierung beschäftigt haben, und somit auf einem guten Weg sind. Also mache ich mir da wenig Sorgen und bin überzeugt, dass wir gut aufgestellt sind.
Mit eine der größten Herausforderungen ist meiner Meinung nach der Umgang und die Arbeit mit künstlicher Intelligenz. Ich selber nutze auch künstliche Intelligenz, natürlich im Studium, bei der normalen Arbeit habe ich aber immer noch ein bisschen Respekt davor. Nach meiner Meinung kann künstliche Intelligenz weitestgehend als Hilfe genutzt werden, aber sie wird uns als Menschen gerade im Baubereich niemals ersetzen. Künstliche Intelligenz ist mit Vorsicht zu genießen – gerade in Bezug auf Mitarbeiter muss man darauf achten, wie man mit sensiblen Daten umgeht.
Dr.-Ing. Claus-Christian Ehrhardt: Die Baubranche ist ja eine der wenigen Branchen, wo KI eher anreichernd wirkt als ersetzend. Bei uns hilft KI beispielsweise beim Thema Arbeitssicherheit, indem Visualisierungen möglich sind, um möglicherweise gefährliche Situationen im Vorfeld zu verhindern. Zudem können wir mit KI-Systemen die Bauabläufe simulieren, die wir dann vor Ort mit der Realität abgleichen können. Es macht schon Lust, sich damit zu beschäftigen. Beim Klimaschutz muss man sich ja vergegenwärtigen, dass 40 Prozent des CO2-Ausstoßes in Deutschland nichts damit zu tun haben, wie wir bauen oder was wir machen – sondern allein damit, dass wir warm und trocken wohnen und arbeiten wollen. Der Bau selbst hat ja nur einen Anteil von vier bis sieben Prozent. Wir haben daher unsere Zukunftsfelder mit dem Wort „IDEE“ umschrieben: Wir wollen für Infrastruktur bauen, Digitalisierung fördern, wir wollen für die Energiewende bauen und für effizienten Klima- und Küstenschutz sorgen. Das ist unsere Idee für die Zukunft, insbesondere für die nächsten zehn Jahre.
Sie haben im Januar eine Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen – welche Ziele verfolgen Sie damit?
Dr.-Ing. Claus-Christian Ehrhardt: Wir tun das, weil wir in der Unternehmensgruppe mit 1.000 Mitarbeitern und 400 Millionen Euro Bauleistung ab nächstem Jahr berichtspflichtig sind. Aber neben der Berichtspflicht gibt es mittlerweile ja auch Kunden von uns, die von uns Zuarbeit beim Thema Nachhaltigkeit abfordern. Das können Sie natürlich nur fundiert machen, wenn sie eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie haben. Für die Nachhaltigkeitsstrategie gibt es keine Blaupause, sondern es gibt 1.200 Wesentlichkeitsmerkmale. Sie müssen selbst und nachvollziehbar entscheiden, welche davon für das Unternehmen und den Geschäftszweck relevant sind und über Jahre zu verbessern oder zu entwickeln sind. Nachhaltig heißt halt nicht nur, effizient und sparend mit Ressourcen umzugehen, sondern auch Chancengleichheit für nachfolgende Generationen. Wie zum Beispiel die Ambition, eine große Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszubilden. Wir messen, wieviel Beton wir verbauen, wir messen, wieviel Kilometer wir fahren, wir messen, wieviel Treibstoff wir verbrauchen. Wir messen aber auch die Altersstruktur und Enkeltauglichkeit unserer Belegschaft und die Anzahl der Ausbildungsverträge.
Worauf kommt es aus Ihrer Sicht in den nächsten Jahren in der Baubranche an?
Dr.-Ing. Claus-Christian Ehrhardt: Wir haben unsere Leistungsmarke geschärft und uns bedingungslos den Themen Termin und Qualität gestellt. Und das bringt natürlich auch mit sich, dass wir nur für Kunden bauen können, denen das wichtig ist. Kunden, denen das nicht wichtig ist, finden kostengünstigere Auftragnehmer als wir es sind. Uns hat unter anderem erfolgreich gemacht, dass wir in den letzten Jahren dann auch zu manchen Geschäftsmodellen, Kunden und Projekten „Nein“ gesagt haben. Das hat manchmal zu viel Stirnrunzeln und zu Missverständnissen geführt, aber es ist für uns ein ganz großer Erfolgsbaustein.
Der zweite ist für mich die Schärfung der Arbeitgebermarke bei Groth. Dass es hier gelungen ist, mit den Mitarbeitern und mit wissenschaftlicher Expertise etwas zu entwickeln, was einzigartig ist: nämlich das Modell #regional #innovativ #fair zu erarbeiten, zu implementieren und auch zu leben. Das Implementieren ist sehr anstrengend, aber es war sehr, sehr erfolgreich bei uns. Und das Leben dieser Identität führt dann zu dem Punkt, bei Anfragen von Kunden, die mit uns weitere Projekte machen wollen, wiederum mal Nein zu sagen. Denn wir wollen ja abends alle zu Hause sein, Hashtag regional. Stetige Innovationsfreude gehört ebenfalls dazu und hat in den letzten Jahren die Digitalisierung spürbar vorangetrieben. Und unter fair kann man unsere Tarifbindung, saubere Arbeit bei den Beschäftigungs- wie auch in den Bauverträgen mit unseren Kunden sehen. Wenn wir uns das erhalten, ist mir um die Zukunft nicht bange.
Karl-Henri Becker: Bei mir haben sich diese Markenkerne – Leistungs- und Arbeitgebermarke – auch deshalb so eingebrannt, weil mein Bruder und ich die Entstehung mitbekommen haben. Für mich ist es auch besonders wichtig, diese Identität in die Zukunft weiterzuführen.
Dr.-Ing. Claus-Christian Ehrhardt: Für uns als Infrastrukturbauer ist es wichtig, dass wir eine verlässliche Nachfrage haben. Nur damit lassen sich ja Kapazitäten, die wir an gut ausgebildetem Personal vorhalten, wirklich dauerhaft beschäftigen. Und da habe ich leider so meine Sorgen. Wir leben in Deutschland nach meiner Auffassung über unsere Verhältnisse. Jetzt ist aus vielen Infrastrukturtöpfen Geld entnommen worden. Auf Pump. Das treibt mich mit Sorge um und da müssen wir dranbleiben, damit so etwas so schnell nicht wieder passiert. Die Politik sollte bereit sein, Liebgewonnenes über Bord zu werfen. Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir Gesprächsmoderator zwischen den verschiedenen Interessenlagen bleiben und beispielsweise zum Städte- und Gemeindetag fahren, um mal zu hören, wie es den Kommunen, den Städten und den Gemeinden geht. Weil da zurzeit der größte Auftragseinbruch wahrzunehmen ist. Denen sind über die vielen Jahre so viel Aufgaben übertragen worden, die sich der Bund ausgedacht hat, dass sie ja kaum noch atmen können. Und das nicht nur personell, sondern auch finanziell. Und da sehe ich unsere Aufgabe in den Verbänden drin, hier anmoderierend, hinweisend und auch einfordernd im politischen Gespräch zu bleiben.
Herr Becker, können Sie sich vorstellen, sich ebenfalls künftig mal im Bauindustrieverband zu engagieren?
Vorstellen kann ich es mir tatsächlich auf jeden Fall. „Verband“ war für mich – ganz ehrlich – immer so ein Buch mit sieben Siegeln. Dann habe ich mich aber mal damit auseinandergesetzt, warum es wichtig ist, dass es die Verbände gibt und warum Verbandsarbeit, beispielsweise bei den Themen Tarifverträge und betriebliche Ausbildungszentren, auch erstrebenswert ist. Und ja, definitiv kann ich mir in Zukunft vorstellen, in verschiedenen Verbänden auch Tätigkeiten zu übernehmen.
Herr Dr. Ehrhardt und Herr Becker, vielen Dank für das Gespräch.