#BauenmitLeidenschaft: Interview mit Daniela Schmidt aus dem Ausbildungszentrum-Bau in Hamburg

„Wenn ich nach Hause fahre, habe ich häufig das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben.“

Daniela Schmidt leitet seit etwa drei Jahren die Nachwuchsagentur des Ausbildungszentrums-Bau in Hamburg. Die 49-jährige studierte Germanistin aus dem Harz war nach ihrem Studium in Göttingen und Köln für mehrere private Hochschulen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und im Recruiting tätig – anschließend hat sie bei einem Immobilienverband dessen Seminare gemanagt. In den Jahren im Rheinland und nach ihrem Umzug nach Hamburg hat sie ihre Leidenschaft für die Bildungsbranche entwickelt. Wir treffen sie am Bewerbertag, bevor die ersten jungen Leute im AZB eintreffen.

Daniela, was motiviert Dich, jungen Menschen eine berufliche Perspektive in der Bauwirtschaft zu vermitteln?
Im Ausbildungszentrum hat im Grunde genommen jeder junge Mensch eine Chance – es gibt für jeden hier die Möglichkeit, eine Ausbildung zu beginnen. Egal mit welchem vorherigen Werdegang oder familiären Hintergrund. Jungen Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft zuvor wenig gefördert wurden, bietet unser Ausbildungszentrum bzw. das Bauhauptgewerbe vielfältige Chancen. Es ist für mich sehr sinnstiftend, diesen Menschen zu helfen. Auch wenn sie mit der Ausbildung fertig sind, gibt es hier viele Möglichkeiten, die Karriereleiter weiter hochzuklettern: wenn sie sich beispielsweise als Vorarbeiter, Werkpolier oder geprüfter Poliermeister beweisen. Wenn ich nach Hause fahre, habe ich häufig das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Und natürlich auch, weil das Bauhauptgewerbe ganz dringend Nachwuchs braucht – die Berufe sind ja alle systemrelevant. Wir fördern den Nachwuchs für einen wichtigen Wirtschaftszweig in Deutschland.

Daher lohnt es sich für uns immer, in die Schulen zu gehen, mit Schülerinnen und Schülern direkt zu sprechen, Netzwerke aufzubauen mit Lehrern und anderen Aktiven in der Berufsorientierung – außerdem alle Akteure an einen Tisch zu holen, wie bei solch einem Bewerbertag, den wir als Format jetzt ausprobieren.

Welche Herausforderungen gibt es für Dich beim Vermitteln von jungen Menschen?
Es geht häufig schon um die Grundlagen: Auszubildende müssen pünktlich sein, zuverlässig, motiviert, verbindlich. Das fällt einigen jungen Menschen einfach noch schwer, bedingt auch durch das Alter, vorherige Perspektivlosigkeit oder Desorientierung. Auf der anderen Seite braucht es bei den Unternehmen eine Offenheit, Menschen eine Chance zu geben, die nicht in ein bestimmtes Raster passen.

Was ist in den Unternehmen bei der Auswahl von Nachwuchskräften besonders wichtig?
Natürlich gucken Unternehmen und wir auch darauf, wie weit ist der Wohnort, schafft er oder sie es bis zur Baustelle oder bis in den Betrieb. Vielen ist natürlich auch wichtig, dass ihre Mitarbeiter körperlich einfach fit sind, manche fordern im Vorfeld schon einen Führerschein. Einigen ist auch der Schulabschluss wichtig, einigen nicht.

Wie ist es mit dem Thema Frauen im Baugewerbe?
Das Bauhauptgewerbe ist bei den jungen Mädchen noch gar nicht wirklich angekommen. Dabei gibt es mittlerweile auch maschinelle Hilfsmittel, wie dieses Exoskelett, mit dem sich auch als Frau schwere Sachen bewegen lassen. Da gibt es einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten.

Wie schaust du selbst auf die Bauberufe und die Baubranche? Welche Vorteile hat es, in der Baubranche zu arbeiten?
Ich finde, die Branche hat sehr große Vorteile: Es gibt viel zu tun, alle Berufe sind systemrelevant. Ohne Straßenbauer, ohne Brückenbauer und ohne Maurer würde es nicht gehen, weil einfach die ganze Gesellschaft auf diese Berufe angewiesen ist. Außerdem ist die Bauwirtschaft auch ein ganz großer Wirtschaftsfaktor für eine Region, eine Stadt – für das ganze Land. Wir haben in Hamburg unglaublich große Bauprojekte, in denen viel Potenzial steckt, wie man ja beispielsweise bei der Elbphilharmonie erleben konnte.

Ich freue mich darüber, dass es für mich hier im AZB so viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt, was die Akquise von Nachwuchs betrifft – auch um mal neue Wege zu gehen, wie der Veranstaltung eines Bewerbertages. Wir gehen immer offensiver in die Schulen und auf Berufsorientierungs-Messen, etwa 25mal im Jahr, um dort Workshoptage zu veranstalten, Aufklärungsarbeit zu leisten, also Berufsorientierung zu bieten. Als Nachwuchsagentur gehen wir aber auch gleich den Schritt weiter und bringen die Botschaft mit: Wir vermitteln Dich in eine Ausbildung.

Welche schönen Geschichten von jungen Menschen hast Du erlebt, die einen guten Weg in die Bauwirtschaft gefunden haben?
Wir hatten letztens eine Bewerberin für den Betonbau. Es stellte sich heraus, dass sie eine ganz junge Mutter war – Anfang 20, alleinerziehend. Sie ist tough und hatte eine ganz klare Vision für sich, dass sie Betonbauerin werden wollte. Kam hier an und hat alle Vorbehalte vom Tisch gefegt. Zufälligerweise wollte an dem Tag ein Betrieb sowieso bei uns im Haus Gespräche wegen seiner Azubis führen. Sie hat zwei oder drei Stunden auf den Personaler gewartet, und als dieser sie dann kennengelernt hatte, sagte er: Dich nehmen wir. Sie hat ohne ein Praktikum einen Ausbildungsvertrag zum Start im September bekommen. Dann stellte sich heraus, dass der Betrieb so groß ist, dass er eine eigene Kita hat. Sie hat also die Möglichkeit, ihr Kind morgens um sechs zur Kita zu bringen und die Ausbildung zu machen. Der Ausbilder hier rief mich später an und bedankte sich bei mir, dass ich es durchgezogen habe.

Eine weitere Geschichte: Einen jungen Menschen mit einer schwierigen familiären Vorprägung haben wir in das Hamburger Ausbildungs-Programm (HAP) vermittelt, um eine Vorbereitung auf eine Ausbildung in der Bauwirtschaft zu ermöglichen. Das sind schöne Erlebnisse, weil ich wirklich helfen konnte: Der Baubranche zwei neue Nachwuchskräfte vermittelt und Menschen, denen Vorbehalte begegnen, Zukunftsperspektiven eröffnet, mit denen sie sich weiterentwickeln können.

Daniela, danke für das Gespräch.