#BauenmitLeidenschaft: „Kein Tag ist wie der andere“ – Interview mit Marie Erhardt, Bauleiterin bei Heinrich Karstens

Marie Erhardt (32) ist seit September 2023 als Bauleiterin bei der Heinrich Karstens Bauunternehmung tätig. Sie verantwortet mit ihrem Projektteam den Bau einer neuen Grundschule mit Zweifeldsporthalle im Kieler Stadtteil Gaarden, unweit des Hauptbahnhofs. Vor Ort treffen wir Frau Erhardt auf der Baustelle, auf der bis zum Start des neuen Schuljahres eine fünfgeschossige Bildungseinrichtung für rund 350 Kinder entstehen soll. Das Besondere: Im Erdgeschoss ziehen auch eine VHS-Kreativwerkstatt, ein Bistro sowie eine Arztpraxis ein. Darüber hinaus soll das Dach der Sporthalle als zusätzlicher Pausen- und Aufenthaltsraum konzipiert und vielfältig gestaltet werden.

Frau Erhardt, wie war Ihr Weg zu diesem Job?

Dies ist meine erste Baustellenleitung. Ich habe am 1. September 2023 direkt nach meinem Studium begonnen. Zuvor habe ich meinen Bachelor in Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt „Konstruktiver Ingenieurbau“ an der Technischen Hochschule Lübeck absolviert.

Mit Heinrich Karstens hatte ich bereits vor einigen Jahren Kontakt, da ich hier schon als Bauzeichnerin gearbeitet habe. Zuvor hatte ich meine Ausbildung zur Bauzeichnerin in Büdelsdorf bei einem anderen Unternehmen abgeschlossen. Während dieser Zeit durfte ich bereits an drei Bauprojekten in Hamburg-Finkenwerder mitwirken, was mir große Freude bereitete.

Ursprünglich dachte ich in der Schulzeit, dass ich etwas mit Sport machen werde. Doch nach meiner Ausbildung zur Bauzeichnerin habe ich mich für das Bauingenieurstudium entschieden. Vorher zog es mich zunächst für drei Monate nach Australien und anschließend nach Kiel, wo ich mein Abitur nachholte. Danach war ich noch ein halbes Jahr als Au-pair in den USA, um meine Englischkenntnisse zu verbessern. Diese Erfahrungen haben mich persönlich enorm weitergebracht.

Wie sind Sie dann wieder mit Heinrich Karstens in Kontakt gekommen?

An der TH Lübeck fand eine Karrieremesse statt, bei der sich verschiedene Unternehmen präsentierten – darunter auch Heinrich Karstens. Da mir die Firmenphilosophie bereits aus meiner vorherigen Tätigkeit positiv in Erinnerung geblieben war, habe ich die Chance zur erneuten Kontaktaufnahme genutzt.

War es schon immer Ihr Ziel, Bauleiterin zu werden?

Nicht unbedingt. Ursprünglich hatte ich vor, in die Kalkulation zu gehen. Diese Idee habe ich zwar immer noch, aber mir wurde schnell klar, dass praktische Erfahrung auf der Baustelle essenziell ist, um die Prozesse wirklich zu verstehen. Oftmals weicht die Realität auf der Baustelle von den theoretischen Planungen ab, da nicht alles, was gezeichnet wird, in der Praxis umsetzbar ist. Die Tätigkeit hier vor Ort ist für meine berufliche Zukunft daher eine wertvolle Erfahrung.

Wie war das Studium?

Es war herausfordernd. Ich musste mir den Stoff sehr intensiv erarbeiten – insbesondere in Fächern wie Strömungsmechanik und Bauinformatik. Doch genau diese Disziplin und das Durchhaltevermögen, die ich im Studium gelernt habe, helfen mir heute im Berufsalltag.

Was mögen Sie an Ihrer Arbeit?

Ich mag Struktur, Ordnung und klare Abläufe – und genau das kann ich hier auf der Baustelle einbringen. Besonders hilfreich ist meine Erfahrung mit Building Information Modeling (BIM). Dadurch kann ich sicherstellen, dass alle Beteiligten auf Basis derselben Informationen arbeiten. Kommunikation und Koordination sind essenziell, damit alle das gleiche Verständnis haben.

Mit wie vielen Menschen arbeiten Sie hier zusammen und wie war es für Sie, so eine Aufgabe zu übernehmen?

30 Menschen kommen hier schon zusammen, die direkte Kommunikation erfolgt überwiegend mit den Vorarbeitern und Projektleitern. Diese Aufgabe übernehme ich jedoch nicht alleine, sondern gemeinsam mit dem Projektteam und der Projektleitung. Jeden Morgen um 10 Uhr gibt es eine Taktbesprechung, bei der wir uns abstimmen und die Aufgaben des Tages besprechen. Es ist eine große Herausforderung, aber auch eine tolle Chance.

Was macht Ihnen ebenfalls Spaß an Ihrem Job?

Das Schöne ist, dass ich rausgehen und sehen kann, wie alles läuft. Der Austausch mit den Nachunternehmern ist wirklich gut. Es gibt immer wieder knifflige Herausforderungen, aber genau das motiviert mich. Es ist ein tolles Gefühl, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.

Was hilft Ihnen im Alltag, wenn es mal schwierig wird?

Humor und Gelassenheit helfen mir dabei, Herausforderungen zu meistern. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich für jedes Problem eine Lösung finden lässt. Natürlich gibt es auch Tage, an denen man nach Hause geht und sich fragt: Wie schaffen wir das? Aber genau dann helfen mir Sport als Ausgleich und die Möglichkeit, mich mit dem Projektteam auszutauschen.

Was sagen Sie jungen Menschen, warum es sich lohnt, in der Baubranche zu arbeiten?

Es ist ein unglaublich abwechslungsreicher Beruf, in dem es nie langweilig wird. Der größte Vorteil ist, dass man tagtäglich sieht, was man erschafft. Ich bin nicht nur im Büro, sondern habe viel Kontakt mit Menschen und direkten Einfluss auf das Baugeschehen. Wir brauchen dringend Fachkräfte – ohne unsere internationalen Kollegen wäre es kaum möglich, Baustellen erfolgreich umzusetzen.

Sind Sie hier auf der Baustelle die einzige Frau?

Nein, es gibt mehrere Frauen hier: meine Projektleiterin und beispielsweise Tischlerinnen, Innenarchitektinnen und Landschaftsgärtnerinnen. Ich finde es großartig, dass immer mehr Frauen in der Baubranche tätig sind. Diese Mischung aus Männern und Frauen auf der Baustelle sorgt für ein angenehmes und ausgewogenes Arbeitsumfeld.

Wie gehen Sie mit Konfliktsituationen um?

Ein respektvoller Umgang ist für mich essenziell. Wichtig ist es, den Nachunternehmern zuzuhören – schließlich sind sie die Experten in ihrem Bereich. Wenn sie mir sagen: „Das ist so nicht umsetzbar“, dann höre ich ihnen zu und lasse mir erklären, warum. Es ist entscheidend, im Dialog zu bleiben und gemeinsam Lösungen zu finden.

Vielen Dank für das Gespräch!